Westerwieher Postgeschichte
von Friedhelm Gehle
Westerwiehe ist schon verhältnismäßig früh mit der Post in Berührung gekommen. Ab 1669 durchfuhr die fürstbischöfliche Wagenpost Münster-Paderborn Westerwieher Gebiet. Die Postlinie verlief von Neuenkirchen kommend etwa 2,4 km auf der Detmolder Straße in Richtung Kaunitz und bog dann rechts in die Stienhöferstraße ein. Nach etwa 1,2 km vereinigte sich die Straße mit der Straße „Zum Sporkfeld“ weiter auf die Westerwieher Straße, an der heutigen Ziegelei Rehage vorbei und über die Emsbrücke nach Steinhorst.
Von Rietberg kommend verlief der Postkurs etwa 2,0 km auf der Westerwieher Straße bis zum Bahnübergang der Eisenbahnlinie Wiedenbrück-Sennelager und führte dann geradeaus weiter auf der Straße „Zum Sporkfeld“, die in einem großen Bogen nördlich am jetzigen Ortskern von Westerwiehe vorbeiführt. Über die Westerwieher Straße ging es dann weiter an der heutigen Ziegelei Rehage vorbei und über die Emsbrücke nach Steinhorst. In alten Karten trägt diese Gegend bezogen auf den Emsübergang – Bezeichnungen wie „Neubrück“ oder „Nienbrügge“.
Auch nach der Übernahme des Postwesens durch die Preußen (1803 und 1813) sowie in der Franzosenzeit von 1807 – 1813 blieb die Wagenpostlinie, die inzwischen eine Ausdehnung bis Holland und über Kassel hinaus erfahren hatte, erhalten. Sie wurde erst 1832, und zwar nach dem Ausbau einer passierbaren Verbindung zwischen Rietberg und Delbrück, auf diese neue Strecke verlegt. Eine Haltestelle hat es in Westerwiehe nicht gegeben. Diese befand sich in Neuenkirchen. Für Pferde- und Wagenwechsel wurde dort auf dem Gelände der ehemaligen Brennerei Dieckhoff eine große Posthalterei unterhalten.
In Neuenkirchen gab es etwa 1790 eine weitere Posteinrichtung in Form einer Postexpedition. Sie war in der Nachfolgezeit auch für die Postversorgung der Westerwieher Bevölkerung zuständig. Bis ca. 1856 wurden eingehende Briefe bei der Postexpedition aufbewahrt und konnten von dort abgeholt werden. Erst, wenn Briefe über 8 Tage auf der Postexpedition lagerten, wurden sie von der Post durch einen Privatmann zugestellt.
Nach Einführung der Landbriefbestellung, die bei der Postexpedition Neuenkirchen um 1856 begann, zählt der Landbestellbezirk Westerwiehe zur Postanstalt Neuenkirchen. Von hier aus erfolgte schon kurze Zeit später eine werktägliche Postzustellung. Zur besseren Versorgung der Landbevölkerung, aber auch zur Entlastung der Landbriefträger, die auf ihrem Postgang nicht nur Post zustellten, sondern auch Briefe, Wertsendungen, Postanweisungen, Pakete und Nachnahmesendungen sowie Geldbeträge bis zu 25 Talern zur Weiterbeförderung entgegennahmen, wurden ab 1871 Posthilfsstellen errichtet.
Wie die nachfolgende Bekanntmachung aus dem Amtsblatt der Königlichen Regierung in Minden vom 28. November 1895 zeigt, gab es ab dem 05. Dezember 1895 auch in Westerwiehe eine Posthilfsstelle. Sie befand sich im Hause des Gastwirts Wilsmann, genannt Hampe (heute Westerwieher Strasse 255). Es ist in etwa die Stelle, an der sich auch heute die Westerwieher Poststelle befindet. (Anmerkung der Redakteurin: 2020 befinden sich die Räume der Wilsmann anziehbar in den Gebäuden Westerwieher Strasse 255 und 253).
Durch Urkunde vom 03.12.1895 wurde Heinrich Wilsmann, genannt Hampe, geb. am 06.10.1838 in Westerwiehe mit der Führung der Posthilfsstelle beauftragt. Die Wahrnehmung der Postaufgaben erfolgte zu dieser Zeit unentgeltlich. Aus Wilsmann Ehe mit Christine, geb. Westerdieckhoff, sind acht Kinder hervorgegangen. Wilsmann starb am 13. Oktober 1915.
Mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie Wiedenbrück-Sennelager im Jahre 1902 erhielt Westerwiehe eine Bahnstation. Da der „Senneblitz“ auch für die Beförderung von Postsendungen genutzt wurde, ergab sich eine günstige und schnelle Transportmöglichkeit. Es mußte daher als ein Mißstand angesehen werden, daß von der im Dorfkern gelegenen Posthilfsstelle größere Pakete oder Paketmengen nicht angenommen wurden. Mit Unterstützung behördlicher Stellen wurde daher die Oberpostdirektion gebeten, am Bahnhof in Westerwiehe eine Postagentur einzurichten. Der entsprechende Antrag wurde jedoch nach Überprüfung der Verkehrsverhältnisse abgelehnt. Auch nach einer Zählung der beim Postamt Neuenkirchen aus Westerwiehe angelieferten Postsendungen blieb die Oberpostdirektion bei ihrer ablehnenden Haltung. Das Argument, bei der Zählung in Neuenkirchen sei unberücksichtigt geblieben, daß die Westerwieher etwa die Hälfte ihrer Postsendungen anläßlich von Geschäftsgängen zum Amt oder zum Gericht beim Postamt Rietberg einlieferten, entkräftete die Oberpostdirektion durch eine Gegenzählung beim Postamt in Rietberg.
Wie die obenstehende Bekanntmachung zeigt, wurde lediglich zum 15. November 1902 am Bahnhof in Westerwiehe eine weitere Posthilfsstelle eingerichtet. Die vermutung, daß gleichzeitig die bisherige im Ortskern liegende Posthilfsstelle aufgehoben worden sei, trifft nicht zu. In einem Schreiben der Oberpostdirektion vom 27.11.1902 heißt es u.a.:
„Ein allgemeines Bedürfnis zur Einrichtung einer Postagentur in Westerwiehe kann auch nach nochmaliger Prüfung zur Zeit nicht anerkannt werden. Um jedoch den Wünschen der Bewohner von Westerwiehe entgegen zu kommen und um insbesondere den Beteiligten die Auslieferung ihrer Pakete zu erleichtern, ist auf dem Bahnhof Westerwiehe am 15. d. Mts. eine Posthilfsstelle – neben derjenigen im Dorf – errichtet worden, die sich mit der Annahme von gewöhnlichen Paketen befaßt und nicht nur von den vorüberfahrenden Zügen die für Westerwiehe bestimmten Briefe, Zeitungen und gewöhnlichen Pakete unmittelbar empfängt, sondern auch in der Lage ist, die daselbst ausgelieferten gewöhnlichen Briefe und Pakete mit den bezeichneten Beförderungsgelgenheiten abzusenden.“
Damit nahm die 2. Posthilfsstelle am Bahnhof eine Sonderstellung ein. Die Unzulänglichkeiten, die bei der 1. Posthilfsstelle im Ort bei der Annahme von Paketsendungen bestanden und dazu geführt hatten, daß die für Westerwiehe bestimmten Postsendungen durch das Postamt Neuenkirchen vom Bahnhof abgeholt und später zugestellt wurden, war damit vorbei. Die Leitung der 2. Posthilfsstelle am Bahnhof wurde dem Gastwirt Heinrich Henkenherm sen. übertragen, der im Bahnhofsgebäude seine Gastwirtschaft unterhielt und auch für die Fahrkartenausgabe verantwortlich war.
Nach der obenstehenden Bekanntmachung wurde die Posthilfsstelle am Bahnhof am 01. Juni1904 in eine Postagentur umgewandelt. Die Führung lag weiter in den Händen von Heinrich Henkenherm sen. Warum die Oberpostdirektion schon nach rd. 1,5 Jahren die Posthilfsstelle am Bahnhof in eine Postagentur umwandelte, ist nicht bekannt. Mitentscheidend war sicherlich der ständig steigende Postverkehr und die erstmalige Zuordnung eines eigenen Landbestellbezirkes. Schließlich hatte der bisherige Posthilfsstellenleiter als Eigentümer des Bahnhofsgebäudes durch einen Anbau auch die räumlichen Voraussetzungen geschaffen.
Mit der Errichtung der Postagentur am Bahnhof wurde die von Wilsmann im Ortskern geführte 1. Posthilfestelle aufgehoben.
Die Postagentur am Bahnhof wurde bis zum Jahre 1927 von Heinrich Henkenherm sen. geführt. Nach dessen Tod übernahm der Sohn
Heinrich Henkenherm jun.
die Verwaltung der Postagentur. Er führte die Dienstgeschäfte bis zum 31. 07.1931. Zu dieser Zeit war längst erkannt worden, daß sich die seinerzeit mit der Eisenbahn Wiedenbrück – Sennelager verbundenen Hoffnungen nicht erfüllt hatten. Der Personenverkehr zeigt eine ständige rückläufige Entwicklung. Der Güterverkehr war überwiegend auf den Kükenversand beschränkt und daher nur saisonbedingt zufriedenstellend. Bei diesen Gegebenheiten stellte sich zwangsläufig für die am Bahnhof gelegene Postagentur die Standortfrage, die schließlich dazu führte, daß die Postagentur im Jahre 1931 in den Ortskern zurückverlegt wurde.
Hier hat zwischenzeitlich der Kaufmann Josef Hampe sen. das bisher landwirtschaftlich genutztes Gebäude umgebaut und teilweise für Postzwecke hergerichtet.
Die Abbildung zeigt im Hintergrund das Gebäude vor dem Umbau. Die Postagentur befand sich im linken Teil des Gebäudes. Die auf dem Bild zu sehende Fensterklappe gehörte zum Schalterraum der Poststelle. Das große Deelentor wurde bei den Umbauarbeiten abgebrochen und durch zwei Einzeltüren ersetzt, wobei die linke Eingangstür zu den Posträumen führte. Bei den Personen auf dem Bild handelt es sich um den Landbriefträger Bernhard Bünte und den Hauseigentümer Josef Hampe (1*). Die Leitung der Postagentur, die sich etwa am Standort der jetzigen Poststelle, Westerwieher Straße 255, befand, übernahm am 01.08.1931
Gerhard Wilsmann genannt Hampe
Gerhard Wilsmann wurde am 27. August 1910 zu Westerwiehe geboren. Er besuchte das Progymnasium in Rietberg. Am 01. September 1940 wurde er vom Militär einberufen. Während des Rußlandfeldzuges ist er am 21. Januar 1942 gefallen. Daraufhin ging die Leitung der Postagentur ab dem 01. September 1940 auf den Postschaffner
Franz Blomberg über.
Franz Blomberg war zusammen mit Bernhard Bünte schon bei der Postagentur am Bahnhof in Westerwiehe als Landbriefträger tätig. Zu Bernhard Bünte ist noch zu berichten, daß er als Postillion auf der Pferdepostverbindung Wiedenbrück – Rietberg – Delbrück – Paderborn beschäftigt war und nach Einziehung dieser Postlinie als Postschaffner der Postagentur in Westerwiehe überwiesen worden. Franz Blomberg hat die Postagentur etwa 4 Jahre geführt. Sie wurde im Juni 1942 von
Frau Angela Wilsmann,
geboren am 19.09.1919 in Westerwiehe, übernommen. Franz Blomberg hat noch einige Jahre als Landbriefträger weitergearbeitet. In der Amtszeit von Frau Wilsmann waren auch noch Landbriefträger Josef Blomberg, Christoph Jürgenschellert und Paul Rolf tätig. Im Jahre 1975 wurde die Zustellung für den Stadtbereich Rietberg (also auch für Westerwiehe) beim Postamt Rietberg zentralisiert.
Mit dem Erreichen der Altersgrenze von 60 Jahren hat Frau Wilsmann mit Ablauf des Monats Dezember 1979 die Leitung der Poststelle an
Friedhelm Gehle
abgegeben. Dieser hat die Stelle des Poststellenleiters bis zum 31.03.1983 ausgeübt. Seit dieser Zeit liegt die Führung der Westerwieher Poststelle in Händen von
Frau Irmgard Aldejohann.
Irmgard Aldejohann, geb. Blomberg, stammt aus einer alten Postlerfamilie. Sie ist verheiratet und wohnt in Rietberg. Frau Aldejohann leitete die Dienststelle bis zum 30.04.1995.
(1*) Quelle: Gespräch mit Herrn Hugo Wilsmann unf Frau Angela Wilsmann in Westerwiehe
Quelle: Friedhelm Gehle, der ehemalige Poststellenleiter in Westerwiehe hat uns diese Schrift freundlicherweise zur Verfügung gestellt.