Schützenfest light kommt gut an
An einigen Traditionen wollten die Westerwieher Schützen trotz der nach wie vor nicht gänzlich überwundenen Corona-Pandemie festhalten. Am letzten der drei „Ersatzfest-Tage“ legte eine Abordnung vor dem Ehrenmal an der St.-Laurentius-Kirche einen Kranz zu Ehren der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft nieder. Diakon und Präses Lothar Ommer hielt eine bewegende Ansprache.
Presseartikel aus “Die Glocke” vom 28. Juli 2021
Rietberg-Westerwiehe (gl) – Ein bisschen Schützenfest, ein bisschen Jahreshauptversammlung: Das waren die Grundzutaten für drei abwechslungsreiche Tage nach Maß für die Westerwieher Grünröcke.
Auch wenn die gegenwärtige Corona-Lage ein klassisches Schützenfest mit Vogelschießen, Umzug und Zelt nicht zuließ: Die St.-Laurentius-Schützen haben das Beste aus dieser besonderen Situation gemacht. Erstmals seit mehr als eineinhalb Jahren konnten sie an ihrem eigentlichen Festwochenende wieder in größerer Runde zusammenkommen.
Abgesehen von der Corona-Pandemie bestimmte ein anderes Thema die Jahreshauptversammlung: nämlich die Hochwasserkatastrophe in Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. „Wir wollen den betroffenen Menschen in dieser schweren Zeit solidarisch beistehen“, sagte Hanemann. „Denn auch das macht den Geist einer Bruderschaft aus.“ Die spontan auf seinen Vorschlag hin durchgeführte Hutsammlung erbrachte 2076 Euro, die Jungschützen steuerten 500 Euro bei, der Gesamtverein erhöhte den Betrag auf 4000 Euro. Durch weitere Unterstützer aus dem Ort kletterte die Spendensumme später auf stattliche 5000 Euro. Das Geld soll in den kommenden Tagen an die besonders stark von den Wassermassen in Mitleidenschaft gezogene Kleinstadt Schleiden in der Eifel überwiesen werden.
Nachdem die regulären Generalversammlungen im März 2020 und 2021 ausgefallen waren, standen bei dem Treffen am eigentlichen Schützenfest-Wochenende umfangreiche Ergänzungswahlen zum Vorstand auf dem Programm. Diakon Lothar Ommer wurde ebenso im Amt bestätigt wie Oberst Dietmar Sasse und zweiter Schießmeister Christoph Holtkamp. Norbert Mertensmeier wählten die Schützen zum neuen stellvertretenden Oberst sowie Bataillonskommandeur und damit zum Nachfolger von Alfons Külker.
Das Amt des Pressesprechers übernahm Nimo Sudbrock von Christian Lefeld, der den Posten seit 1978 ohne Unterbrechung innehatte. Beide scheidenden Vorstandsmitglieder – Lefeld und Alfons Külker – wurden zum Dank für ihre Verdienste zu Ehrenmitgliedern der Bruderschaft ernannt. Schützenchef Hanemann bezeichnete sie als „echte Vorbilder“, die stets mit Leidenschaft und besonderem Engagement für die grünen Ideale Glaube, Sitte und Heimat eingetreten seien. Als neuer stellvertretender Pressesprecher grüßt Willi Hartkamp. Ralf Funke löste Mario Kleinemeier als Beisitzer ab.
Ganz langsam erwacht das Schützenwesen wieder zum Leben. Erste Aktionen hat die vor einigen Jahren gegründete Heimat- und Brauchtumspflegetruppe des Schützenvereins bereits in den Stiel gestoßen. Die Aktiven um Josef Schlüter haben eine Fahrradtour rund um Westerwiehe ausgearbeitet, die mit einem Abstecher nach Rietberg 27 Kilometer in der Länge misst. In Kürze will die Schützengruppe etwa 70 Hinweistafeln im Stadtgebiet aufstellen, damit „Pedalritter“, die die Strecke absolvieren wollen, nicht vom rechten Weg abkommen.
Dem Hedamännchen – einer alten Westerwieher Sagengestalt – wollen die Heimat- und Brauchtumsfreunde demnächst ein Denkmal setzen. Am Sporkfeld, also dort, wo das Hedamännchen der Legende nach Wanderer einst durch seine Rufe erschreckte, soll eine Infotafel aufgestellt werden. Auch eine Sitzgelegenheit zum Verweilen ist vorgesehen.
Große Pläne für die Zukunft haben auch die von Ingo Berenbrink angeführten Sportschützen. Das Schießheim an der Berkenheide soll einen Anbau erhalten, um die beengten Platzverhältnisse aufzulösen. In diesem Zuge sollen auch eine barrierefreie Toilettenanlage, eine größere Waffenkammer, ein zusätzlicher Besprechungsraum und ein Archiv, in dem wichtige Dokumente aus der inzwischen fast 75-jährigen Geschichte des Schützenvereins gelagert werden können, entstehen.
Die für das Bauvorhaben wichtige Förderzusage trudelte kurz vor dem Festwochenende in Westerwiehe ein. Mit 180.000 Euro wird das Land NRW den Schützen bei dem 220.000 Euro teuren Projekt unter die Arme greifen. Damit bleibt nur ein verhältnismäßig kleiner Rest, den der Verein durch Sponsoring, Eigenleistung oder ähnliches aufbringen muss. „Das ist der Wahnsinn“, freute sich Hanemann über die guten Nachrichten aus der Landeshauptstadt Düsseldorf. Und sein Amtsvorgänger Norbert Kröger ergänzte: „Billiger als jetzt kommen wir nie mehr an ein größeres und zeitgemäßes Schießheim.“
Die Planungen für den Anbau sollen nach mehrheitlichem Versammlungsbeschluss nun intensiviert werden. Einsatz zeigen wollen die Schützen auch bei einem anderen Bauvorhaben im Dorf – nämlich der demnächst anstehenden Renovierung der Pfarrkirche St. Laurentius. Unter anderem bei der Überarbeitung der Sitzbänke des Gotteshauses möchte sich die Bruderschaft einbringen.
Jubilarehrungen, Kranzniederlegung und Gottesdienst: Auf einige Traditionen wollten die Westerwieher auch bei ihrem „Schützenfest light“ nicht verzichten. Vor 40 Jahren regierten König Norbert I. Kleinemaß und Kaiserin Hedwig I. Kleinemaß die Schützen. Eine Abordnung des Vorstands stattete dem Jubelregentenpaar in Begleitung des Musikvereins einen Besuch ab. Auch den Silbermajestäten Walter I. und Andrea I. Kaimann, die vor 25 Jahren auf dem grünen Thron saßen, machte die Vereinsspitze ihre Aufwartung. Für 60-jährige Vereinszugehörigkeit wurden Hermann Pepping und Josef Sasse ausgezeichnet, für 65-jährige Treue zur Bruderschaft erhielt Jubelkönig Norbert Kleinemaß einen Orden. Er hatte also doppelten Grund zum Feiern.
Vor der Festhalle von Seppel Kreutzheide feierten Schützen und Dorfbewohner einen Gottesdienst unter freiem Himmel. „Lasst die Leute sich setzen und gebt ihnen zu essen“: Diesen Worten Jesu Christi widmete sich Pastor Andreas Zander, der die Messe gemeinsam mit Präses und Diakon Lothar Ommer zelebrierte, in seiner Predigt. Nach den langen Monaten der Corona-Zwangspause komme es nicht so sehr auf Nahrung im eigentlichen Sinn an, sagte Zander. Vielmehr gebe es einen tiefen Hunger nach Gemeinschaft und Geselligkeit. Diesen gelte es nun zu stillen.
Am letzten der drei „Fest-Ersatztage“ gedachten die Schützen am Ehrenmal vor der Kirche der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. In seiner Rede warnte Präses Ommer vor jeglichen „Systemen, in denen der eigene Machtanspruch wichtiger als das Glück des anderen“ ist. Keiner der großen Kriege sei wie ein Schicksalsschlag vom Himmel gefallen. „Sie haben schon viel früher begonnen, im Kleinen, in dem Augenblick nämlich, als der eine zum anderen nicht mehr ,Mein Freund’ sagte, sondern ,Mit dir will ich nichts mehr zu tun haben’.“
Im Leben gehe es darum, „den anderen so zu verstehen, dass er nicht mehr zum Feind werden kann“. Genau das habe Jesus gemeint, als er in der Bergpredigt sagte: „Liebt eure Feinde, tut denen Gutes, die euch hassen.“ Wer die Würde und den Wert jeder Person achte und sich für Verständnis und Toleranz einsetze, entziehe nicht nur totalitären, menschenverachtenden Systemen wie der NS-Diktatur den Nährboden, sondern verhindere auch Kriege.