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Hilfe aus Westerwiehe kommt an

Presseartikel aus „Die Glocke“ vom 21. Januar 2021

Redakteurin: Susanne Schulte-Nölle

Rietberg-Westerwiehe (ssn) – Eine Trikotspende aus dem Kükendorf hat jetzt Kindern eines Waisenhauses in Kenia ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Der Brückenschlag einmal quer über das Mittelmeer kommt nicht von ungefähr. Initiiert hat ihn der Westerwieher Matthias Kühlmann.  Dessen Schwiegervater hat den Hort für elternlose Heranwachsende aus der Taufe gehoben. Wehmütig schaut sich der 33-Jährige die Fotos von der T-Shirt-Übergabe auf seinem Laptop an. Unter normalen Umständen wäre er dabeigewesen, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung. Allein, die Unwägbarkeiten im Fahrwasser der Corona-Pandemie hätten diesem Vorhaben – so wie bereits zahlreichen anderen in den zurückliegenden Monaten – einen Strich durch die Rechnung gemacht. So flog Ehefrau Natalie schließlich allein.

„Das wird man nicht mehr los“

Ihr Vater William Fondo ist protestantischer Priester. Der Kenianer wuchs in armen Verhältnissen auf, wurde erst im Alter von 14 Jahren eingeschult. Der Zugang zu Bildung eröffnete ihm eine berufliche Laufbahn, die nach einer Anstellung in einem Hotel schließlich in der Ausbildung zum Geistlichen mündete. 2008 gründete Fondo in Watamu – einer Küstenstadt zwei Autostunden nördlich von Mombasa – das Chafisi-Waisenhaus. Mittlerweile ist diesem auch ein Internat angeschlossen, die Wings-of-Mercy-School (Flügel-der-Gnade-Schule).

Seit 2016 besucht Matthias Kühlmann das Chafisi mindestens einmal im Jahr. Die erste Begegnung mit den Kindern steht ihm noch deutlich vor Augen. „Ich konnte spüren, dass die Mädchen und Jungen dort ein gutes Zuhause gefunden haben, dass sie glücklich sind. Doch zu sehen, wie wenig sie besitzen, dass ihr gesamtes Hab und Gut in eine Metallkiste passt, die unter dem Bett verstaut wird, war erschreckend. Das wird man nicht mehr los“, berichtet der Westerwieher. Er weiß: Kaum eines dieser Kinder hat jemals ein Spielzeug in Händen gehalten. Wohnten sie nicht unter dem schützenden Dach des Waisenhauses, müssten sie auf der Straße leben.

Das Chafisi bietet ihnen dabei mehr als nur eine liebevolle Bleibe. So ist eine ausreichende und vollwertige Ernährung ebenso fester Bestandteil der Gemeinschaft wie die Ausstattung mit Kleidung, die medizinische Versorgung und eine solide Grundbildung. Letzteres kommt nicht nur den Steppkes des Waisenhauses zugute, denn die Wings-of-Mercy-School dürfen auch Mädchen und Jungen besuchen, die mit ihrer Familie im Umfeld der Einrichtung leben. „Mein Schwiegervater bemüht sich, insbesondere jene Kinder mit diesem Angebot zu erreichen, die in armen Verhältnissen aufwachsen und sonst wohl trotz der herrschenden Schulpflicht auf dem Feld arbeiten würden, statt zum Unterricht zu gehen“, erklärt Matthias Kühlmann.

Paten finanzieren Schulbesuch

Während des Schuljahrs wohnen die Mädchen und Jungen, die von außerhalb des Chafisi kommen, vor Ort. Sie teilen sich die Schlafsäle mit den Waisen, nehmen mit ihnen gemeinsam die Mahlzeiten ein und erhalten darüber hinaus eine Schuluniform. Insgesamt werden 300 Kinder in den Klassen eins bis acht unterrichtet, was in Kenia der Grundschule entspricht.

„Herr Matthias Kühlmann, vielen Dank für die Geschenke“, steht auf einem Plakat, das Kinder des Chafisi-Waisenhauses im kenianischen Watamu hochhalten. Die Einrichtung wurde von William Fondo, dem Schwiegervater des Westerwiehers Matthias Kühlmann, gegründet. Foto: privat

Finanziert wird das System über Paten. Vermittelt werden diese von der Ora-Kinderhilfe, einer christlichen Organisation mit Sitz in Berlin, die sich seit 1981 für Heranwachsende und Familien in Not einsetzt und das Waisenhaus in Watamu seit seiner Gründung unterstützt. Eine besondere Herausforderung stellt derzeit das Coronavirus für William Fondo und seine Mitstreiter dar. „Um die Schutzabstände zu gewährleisten, wurden etwa neue Betten angeschafft, damit die Kinder weit genug auseinander schlafen können“, weiß Matthias Kühlmann. Auch darüber hinaus seien zahlreiche Vorkehrungen getroffen worden, die das Infektionsrisiko minimieren sollen.

Trikotspende nur der Anfang

Unter Einhaltung strenger Regeln gelangten denn jüngst auch die Trikots aus Westerwiehe in die freudig vorgestreckten Kinderhände. Der SV Germania, dem Kühlmann seit vielen Jahren angehört, hat sie zur Verfügung gestellt. Der 33-Jährige freut sich über den Einsatz seiner Vereinskollegen. Zumal diese angekündigt hätten, dass dies nicht die einzige Spende bleiben soll.

Das bestätigt der SV: „Wir sind sehr stolz und froh, dass es solche engagierten Menschen gibt, die den Kindern ein neues Zuhause mit Liebe, Sicherheit und Geborgenheit geben. Die Trikots waren nur der Anfang, liebe Kinder und lieber Matthias – wir werden euch weiterhin versuchen, so gut es geht zu unterstützen“, lassen die Verantwortlichen in einer Mitteilung wissen. Per E-Mail an social-media@germania-westerwiehe.de sammelt der SV Ideen, wie das Waisenhaus gefördert werden kann.

Mehr als jedes vierte Kind mangelernährt

Nach Angaben der Ora-Kinderhilfe gilt Kenia als wirtschaftlicher Motor Ostafrikas. Das Land sei weltgrößter Exporteur von schwarzem Tee. „Jede dritte in Europa verkaufte Schnittblume kommt aus Kenia. Über eine Million Touristen bereisen das Urlaubsland jährlich.“ In den vergangenen Jahren verzeichne Kenia ein konstantes Wirtschaftswachstum von sechs Prozent. Die Mehrheit der Bevölkerung bleibe davon allerdings unberührt. Demnach lebt fast die Hälfte der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze.

Laut Unicef ist mehr als jedes vierte Kind unter fünf Jahren mangelernährt. Hinzu komme, dass das Land Zufluchtsort für hunderttausende von Geflüchteten sei. „Die Bevölkerung steigt bei sinkenden landwirtschaftlichen Erträgen. Extreme Wetterereignisse verschlimmern die Lage.“ HIV und Aids sind weit verbreitet. Rund 180.000 Mädchen und Jungen leben mit dem Virus, teilt die Kinderhilfe auf ihrer Internetseite mit. Darüber hinaus gebe es 1,2 Millionen Heranwachsende, die ihre Eltern an Aids verloren haben. Staatliche Unterstützung existiere nur ungenügend. „Das einzige soziale Netz sind die Großfamilien. Gibt es dort niemanden, der sie aufnimmt, beginnt das Leben auf der Straße. Jegliches Kindsein und jegliche Schulbildung bleiben ihnen damit verwehrt.“

Internetseite der Ora-Kinderhilfe

 

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