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Gruppe gibt Lehrstunde in Ortsgeschichte

Presseartikel aus „Die Glocke“ vom 18.10.2020
Redakteur: Gerd Daub-Diekhoff

Er sitzt, sprichwörtlich stolz wie ein Spanier, hoch zu Ross: Konrad ist der Jüngste der acht Köpfe zählenden Familie Ottomeier-Schlüter, die auf ihrem Westerwieher Hof, heute Poststraße 31, wirtschaftet. Der Dreijährige hält sich mit ernster Miene kerzengerade auf dem Braunen. Sein Bruder Arnold steht im Sonntagsstaat davor und passt auf, dass der kleine Mann im Sattel bleibt.

Foto aus dem Jahr 1913 zeigt Hofbesitzer mit seiner Familie

Im Jahr 1913 ist dieses Foto entstanden. Es zeigt die Westerwieher Sippe Ottomeier-Schlüter auf dem Hofgelände mit (v. l.) Tochter Elisabeth, Hofbesitzer (Colon) Josef Schlüter, Tochter Elli, einer unbekannten Frau, Arnold Ottomeier (Schwiegervater des Colon), die zweite Colon-Ehefrau Gertrud Schlüter, die Söhne Konrad (auf dem Pferd) und Arnold Schlüter sowie die Töchter Katharina und Maria.

Das Foto entstand im Jahr 1913. Es zeigt den Hofbesitzer – im Westerwieher Raum seinerzeit auch Colon genannt – Josef Schlüter und seine Angehörigen. Er hatte in erster Ehe Elisabeth Ottomeier geehelicht, die ihm einen Sohn, Arnold, schenkte. Doch Elisabeth erlag einer Lungenentzündung und so heiratete Josef Schlüter ein zweites Mal: Gertrud, geborene Schlingschröder, war die Glückliche an seiner Seite. Sie gebar vier Töchter und einen Sohn, Konrad.

Zu sehen sind auf dem Gruppenbild Sohn Arnold und sein Großvater Arnold Ottomeier, also Josef Schlüters Schwiegervater. Außerdem abgelichtet sind Ehefrau Gertrud, die Söhne Konrad und Arnold sowie die Töchter Elli, Elisabeth, Maria und Katharina. Zu guter Letzt zeigt das Foto noch eine Frau. „Wir wissen nicht, wer sie ist, aber das wird sich sicher noch einmal feststellen lassen“, hoffen die heutigen Enkel des Colons, Meinolf (66) und Josef Schlüter (70).

„Ich wusste nicht, dass es einmal ein Westerwieher Standesamt gegeben hat“

Die Brüder sind im Kreis der Gruppe „Brauchtum und Heimat“ aktiv. Gemeinsam ist ihnen die Zielsetzung, die spannende Vergangenheit des Stadtteils Westerwiehe aufzuhellen, um das Geschichtsbewusstsein der Bürger zu erweitern. Der Zusammenschluss hat bereits einige Fakten und Zahlen zu Papier gebracht, besser gesagt: ins digitale Gedächtnis transferiert (diese Zeitung berichtete).

Regelmäßig treffen sich die Mitstreiter im Schützenheim. Jüngst boten Aktive dort im Rahmen einer Veranstaltung der Landfrauen den angemeldeten Besucherinnen eine Lehrstunde in Ortsgeschichte. „Ich wusste nicht, dass es einmal ein Westerwieher Standesamt gegeben hat“, staunte eine der Teilnehmerinnen nicht schlecht. Sie erfuhr, dass diese Behörde bis 1938 gut funktioniert hat. Danach mussten die Bauern nach Neuenkirchen reisen, um etwa Geburten, Eheschließungen und Todesfälle in dieser Nebenstelle des städtischen Standesamts Rietberg anzumelden.

Arbeitskreis hält Erinnerung wach

Das Kriegerehrenmal in Westerwiehe steht im Schatten der St.-Laurentius-Pfarrkirche. Auf der Liste der Gefallenen in zwei Weltkriegen ist der Name einer Frau zu finden: Elisabeth Mertensotto. Der Arbeitskreis „Brauchtum und Heimat“ bemüht sich, die Erinnerung an diese tapfere Mitbürgern wach zu halten. Elisabeth Mertensotto starb am 15. Oktober 1944, als sie den Bad Driburger Stadtteil Langeland im Zug passierte. „Auf der Straße nach Altenbeken, hinter dem Eisenbahntunnel, ist es passiert“, weiß Josef Schlüter.

Die damals 27-Jährige, die auf dem Hochfeld (damalige Adresse: Westerwiehe 63) lebte, wurde bei einem Angriff alliierter Tiefflieger auf die Eisenbahn getötet. Sie war als Mitarbeiterin der Kinder-Land-Verschickung unterwegs gewesen – wohin, ist unbekannt. Nach dem Ersten Weltkrieg war 1940 der Krieg nach Deutschland zurückgekommen. Als die Luftangriffe schlimmer wurden, mussten die Schulen den Unterricht einstellen, viele Kinder waren schlecht versorgt. Ein Grund für manche Eltern, ihre Sprösslinge in die von den Nazis organisierte Landverschickung zu entsenden.

Fürstbischöfliche Post passierte Westerwiehe

Bei dem Treffen im Schützenheim erfuhren die Besucherinnen nicht nur viel über die Anfänge der Bauerschaft, die mit einem 93 Meter aufragenden Hügel – bekannt als „Westerwieher Schweiz“ – den höchsten Berg im Rietberger Stadtgebiet besitzt. Sie wurden auch über die örtliche Postgeschichte aufgeklärt, denn Friedhelm Gehle, der bis 1983 als Poststellenleiter tätig gewesen ist, hat jetzt eine acht Seiten umfassende Broschüre vorgelegt und damit 326 Jahre lokale Posthistorie aufgeblättert. Fakt ist, dass bereits ab 1669 die fürstbischöfliche Wagenpost Münster-Paderborn das Westerwieher Gebiet durchfuhr. Die Postlinie verlief von Neuenkirchen kommend etwa 2,4 Kilometer auf der Detmolder Straße in Richtung Kaunitz und bog dann rechts in die Stienhöferstraße ein. Nach 1200 Metern vereinigte sie sich mit der Straße „Zum Sporkfeld“. Unter dieser Bezeichnung führte die Linie weiter auf die Westerwieher Straße, an der heutigen Ziegelei vorbei und über die Emsbrücke in den Nachbarort Steinhorst.

Mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie Wiedenbrück-Sennelager im Jahr 1902 erhielt Westerwiehe auch eine Bahnstation. Da der „Senneblitz“ ebenfalls für die Beförderung von Postsendungen genutzt wurde, ergab sich eine günstige und schnelle Transportoption. Die Aktiven von „Brauchtum und Heimat“ bitten ihre Mitbürger um Fotomaterial aus vergangenen Zeiten. Sie wollen Bilder und Schriftstücke digital sichern und so dazu beitragen, dass die Lokalgeschichte immer mehr komplettiert wird.

Liste zählt Höfe und Hausstätten auf

Die Gruppe „Brauchtum und Heimat“ hat eine 1820 startende Hausstätten- und Höfeliste angelegt, die 117 Hausnummern umfasst. Sie beginnt mit dem Hof Winkelheide an der Straße In den Marken 2, gefolgt von in einem gemeinsamen Bereich befindlichen Hofanlagen: Nummer zwei: Lanvermeier (Wördekemper, Zum Sporkfeld 4). Nummer drei: Leifeld (Determeyer, Zum Sporkfeld 8). Nummer vier: Eikhoff (Jürgenschellert, Zum Sporkfeld 12).

Auf der Internetseite www.westfalenhoefe.de finden Geschichtsinteressierte eine Auflistung samt Erläuterung. Demnach bildeten Westerwiehe und Oesterwiehe – heute ein Teil von Verl – einst eine Einheit, deren Name „Wiehebauer“ oder „Wehebaue“ lautete, was so viel bedeutet wie Weidenbauerschaft. Im Jahr 1660 wurden die beiden Siedlungen geteilt. 1667 heißt es in einem gräflichen Erlass „Westerwehebauer“. Danach ist in einer Urkunde von 1732 vom „Wester-Wiehebauer“ die Rede. Irgendwann war der Wortteil „Bauer“ über – also nannte man sich Westerwiehe. „Westfalenhöfe“ ist ein Projekt zweier Geschichtsfreunde aus Steinhagen und Verl, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, historische Daten zu alten Bauernhöfen und Häusern online bereitzustellen und darüber Kontakte mit anderen Heimatforschern zu knüpfen.

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