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Detlev Hanemann – Das Glück wird an die Hufe genagelt

Presseartikel aus „Die Glocke“ vom 31. Dezember 2020
Redakteur: David Inderlied
Das Glück wird an die Hufe genagelt
von: DAVID INDERLIED

Mit einem schnellen Handgriff nimmt Detlev Hanemann mit der Zange den glühend heißen, halbrunden Metallring aus dem Miniofen, den er im Kofferraum seines Wagens aufgestellt hat. Einige Hammerschläge, und das orange leuchtende Eisen ist in Form, ehe der Hufschmied das Metall der Westfalen-Stute Grace fest auf die Hufe drückt. Es zischt, Rauch steigt auf und der Geruch von verbranntem Horn in die Nase. „Das war es schon“, sagt der 60-Jährige und geht zurück zum Amboss. Dort passt er mit weiteren Hammerschlägen das Hufeisen an die Anatomie des Pferdefußes an, ehe er die Gehhilfe mit Nägeln in das dicke Horn des Vierbeiners befestigt.

Eines der ältesten Handwerke der Welt

„Das ist eines der ältesten Handwerke der Welt“, sagt Hanemann stolz. „Alle sechs bis acht Wochen müssen die Pferde neu beschlagen werden.“ An diesem späten Nachmittag kurz vor dem Jahreswechsel ist der 60-Jährige, der sich politisch als Ortsvorsteher von Westerwiehe engagiert, auf dem Erdbeerhof Oesselke in Lintel beschäftigt. Dort wartet Besitzerin Sarah Oesselke schon sehnsüchtig auf den Schmied: „Für mich ist es schwierig geworden, jemanden zu finden, der die beiden Pferde fertigmacht“, verrät die junge Frau, die mit ihren Vierbeinern an Spring- und Vielseitigkeitsturnieren teilnimmt. „Als er einmal krank war, gab es keinen, der die Arbeit übernommen hat.“

Mit geübten Augen, flinken Händen und einer Seelenruhe, die auf die Tiere abfärbt, erledigt Detlev Hanemann seinen Job. Den Pferden macht das Anbringen der neuen Gehhilfe übrigens nichts aus. Da sie an der Hornschicht des Hufs keine Nerven haben, fehlt ihnen das Schmerzempfinden beim Anpassen der heißen Eisen. „Pferde sind sehr sensible Tiere“, erklärt der 60-Jährige. „Sie spüren sofort, wenn etwas wehtut oder ein Druck da ist, und geben eine Antwort.“ Dementsprechend entspannt lassen auch Grace und Carino die Prozedur über sich ergehen. Allerdings sei die Behandlung der Vorderbeine nicht immer einfach. „Die Tiere mögen es nicht, wenn ihnen der Qualm in die Nase steigt“, weiß Hanemann.

Altes Handwerk ist bis heute bedeutsam

Hufeisen sollen seinem Besitzer Glück und Erfolg bringen. Aber auch in der Landwirtschaft werden seit Jahrhunderten Pferde mit Hufeisen beschlagen, damit diese sicher arbeiten und ein unproblematisches Leben haben. Als man herausfand, dass man Eisen unter starker Hitze verformen kann, begannen die Menschen, Pferdehufe damit zu beschlagen. Dies beuge nicht nur Verletzungen und Verschleiß vor, sondern habe auch ganz praktische Gründe, erklärt Detlev Hanemann. Denn in den Zwischenräumen der Hufeisen lassen sich Stifte anbringen, die den Tieren zusätzlichen Halt geben.

Das sei bis heute von Bedeutung, sagt der Schmied: „Wenn die Pferde, die bei einem Schützenfest in der Parade mitlaufen, nicht beschlagen wären, würden sie alle wegrutschen und zu Fall kommen.“ Viele Fohlen hätten zudem von Geburt an Haltungsschäden und müssten mit Hilfe von speziellen Hufbeschlägen und Materialien therapiert werden.

Ein Hufeisen hat auch Detlev Hanemann schon Glück gebracht

Dass Hufeisen tatsächlich Glücksbringer sind, daran glaubt Detlev Hanemann nach einer eigenen Erfahrung. Vor fast 30 Jahren war der Hufschmied von einem Einsatz auf dem Heimweg, als er einen schweren Autounfall erlitt. „Ich hatte mehrere Wirbel gebrochen“, erinnert sich der 60-Jährige. Später fand man im Fußraum seines Transporters ein Hufeisen, das aus dem hinteren Teil des Wagens nach vorne geflogen war.

Seltsamerweise hatte sich das stabile Material gebogen, so dass aus der ursprünglichen U-Form ein geschlossener Kreis wurde. „Dieses geschlossene Hufeisen verbinde ich mit dem Glück, dass ich damals nicht im Rollstuhl gelandet bin“, sagt Hanemann. Die Rückenprobleme hat er bis heute. Sie sind auch einer der Gründe, warum Hanemann 2021 kürzer treten will. „Das Hufeisen von damals bewahre ich immer noch in meinem Wohnzimmer auf“, sagt Hanemann.

Im Winter mehr als 1000 Hufeisen geschmiedet

„Ich bin mit Pferden groß geworden und wollte eigentlich Berufsreiter werden“, sagt Detlev Hanemann. Daraus erwuchs der Wunsch, auch beruflich mit den Tieren zu arbeiten. Damals lehnte ihn das Landgestüt in Warendorf aber ab. Durch Zufall fand er eine Ausbildung zum Schmiedemeister. Die Arbeit sei früher viel intensiver gewesen. „Im Winter ist es immer ruhiger. Damals in der Lehrzeit haben wir in den Monaten mehr als 1000 Hufeisen geschmiedet“, erinnert sich Hanemann. Heute dagegen habe man sogenannte Rohlinge, die vor Ort nur noch erhitzt und auf den Huf angepasst werden müssen.

Künftig möchte der 60-Jährige kürzer treten. „Es ist ein Wunder, dass ich die Arbeit mehr als 40 Jahre durchziehen konnte“, erklärt Hanemann. So ganz aufhören kann er aber doch nicht: „Ich würde nach so vielen Jahren etwas vermissen. Dafür macht die Tätigkeit zu viel Spaß.“

 

Seinen Status als Glücksbringer und Erfolgsgarant genießt das Hufeisen schon seit der Antike. Im Christentum geht er auf die Legende des Heiligen Dunstan zurück. Dieser war Prälat und arbeitete als Schmied, bevor er später Erzbischof von Canterbury wurde. Der Legende nach kam eines Tages der Teufel in seine Werkstatt und bat darum, ihm ein Hufeisen für seinen Pferdefuß zu schmieden. Der Kirchenmann drehte der Sage nach den Spieß allerdings um: Er band den Teufel am Amboss fest und verprügelte den Höllenfürsten solange mit dem Schmiedehammer, bis dieser endlich um Gnade winselte. Anschließend nahm er ihm das Versprechen ab, sich nie mehr an einem Ort blicken zu lassen, an dem ein Hufeisen hängt. Seitdem schützt der Pferdeschuh vor dem Bösen. Auch heute noch wird der Glücksbringer über Türen und an Wänden aufgehängt. Um das Glück aufzufangen, sollte man den Talisman mit der Öffnung nach oben aufhängen, damit das Glück nicht herausfällt. Ein weiterer Aberglaube besagt jedoch, dass das Hufeisen mit der Öffnung nach unten aufgehängt werden soll. So könne das Glück auslaufen und sich verbreiten. Es gibt auch eine dritte Variante: Der Glücksbringer wird mit der Öffnung nach rechts an die Wand oder über die Tür gehängt. Der so symbolisierte Buchstaben C steht für Christus.

 

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