Federvieh zurück an die frische Luft
Presseartikel aus “Die Glocke” vom 28.Mai 2021
Redakteur: Gerd Daub-Dieckhoff
Rietberg (gdd) – Magda steht zögerlich im Eingang ihrer Komfortbehausung und streckt den Schnabel in die frische Luft. „Wie, ich darf plötzlich raus?“, scheint sie zu fragen. Seidenhuhn-Züchterin Sonja beobachtet den Vorgang: „Hinter ihr harren schon die Artgenossen in der Warteschlange.“
Mit dem 18. Mai endete die Stallpflicht als Geflügelpest-Auflage. In den fünf Geflügelzuchtvereinen in der Stadt herrscht ein deutliches Aufatmen.
Mitte März kam die von den Veterinärämtern verhängte Quarantäne, nachdem die hochansteckende Geflügelpest nahe Westerwiehe, genauer gesagt in einem Legehennenbetrieb in Delbrück-Hagen und auch in einer Straußenfarm in Westenholz, gemeldet worden war. Der Schock, so Josef Rehage, Ehrenvorstandsmitglied des Westerwieher Zuchtvereins und einer der erfahrensten Experten auf Kreisebene, sei in alle gefahren, die nach dem Corona-Jahr wieder mit neuem Mut die Hobbyzucht begonnen hätten.
Die Stallpflicht sei kein großes Problem gewesen – außer für Wassergeflügel, das an regelmäßiges Baden gewöhnt sei. „Die Lokalschau Anfang Dezember kriegen wir hin“, äußert sich Rehage optimistisch. Er teilt die Meinung mit Gerald Oesterschlink, dem Vorsitzenden.
Der Rassegeflügelzuchtverein Neuenkirchen-Varensell (60 Mitglieder, 16 Aktive), sagt Vorsitzender Johannes Dreisewerd, wolle im Oktober endlich nachfeiern: Denn 2020 verstrich die Jubiläumsfeier zum 50-jährigen Bestehen. Jetzt soll eine Veranstaltung in der Reithalle organisiert werden. Natürlich mit einer Schau verbunden, dennoch: „Mit dem Wassergeflügelnachwuchs sieht es schlecht aus, in den Ställen gab es kaum Becken. Die Befruchtung war demnach gleich Null.“
Auch „Edelzucht“ Neuenkirchen (90 Mitglieder, 45 Aktive) haben die vergangenen Monate hart getroffen, sagt Vorsitzender Helmut Settertobulte. „Zum zweiten Mal nach 2020 ist unsere Generalversammlung im März ins Wasser gefallen. Unser Vereinsleben steht still. Wir hoffen auf viel Sonne und dass wir im November eine Lokalschau hinkriegen“, ergänzt Vorstandsmitglied Andreas Figgemeier.
Dietmar und Sonja Austermann haben 20 Küken seit gut zwei Wochen unter der Wärmelampe versammelt. Die erwachsene erste Generation der 2021er-Zwergseidenhühner mit Bart, Haube und in der Farbe Gelb, versichert die Züchterin, hätten den langen, harten Winter im Stall an der Westerwieher Straße 176 recht gut überstanden und sich schon im März, wenn sie denn gedurft hätten, gerne nach draußen bewegt. „Aber jetzt bin ich auch glücklich, dass sie wieder ins Grüne spazieren.“
Die flauschigen Rassehühner hat die Freizeitgeflügelfrau, die als Küchenkraft im Langenberger St.-Lambertus-Kindergarten tätig ist, vor vier Jahren ins Herz geschlossen: „Sie sind so handlich, sie picken nicht – und schön sind sie auch.“ Magda hatte sich übrigens doch noch entschlossen, das Treppchen in die Freiheit herabzusteigen. Unten warten schon freudig aufgeplustert Oskar, der selbstbewusste Seidenhahn.
Der Mastholter Verein (mehr als 50 Mitglieder, davon die Hälfte aktiv) ist unter dem Vorsitz von Alexander Milsmann fest entschlossen, seine Lokalschau in der ersten Woche nach Allerheiligen einer interessierten Öffentlichkeit zu präsentieren. Milsmann hat unlängst Tobias Walkenfort, der 15 Jahre lang an der Vereinsspitze gestanden hatte und inzwischen als Schriftführer im Vorstand weiter mitmischt, abgelöst.
Der Rietberger Geflügelzuchtverein teilt zwar die Sorgen, in der laufenden Brutsaison noch rechtzeitig in die Gänge zu kommen, hat aber auch noch andere Baustellen. Vorsitzender Franz-Josef Lütkehellweg: „Im Stadtgebiet, denke ich, ist die Geflügelhaltung im Vereinsrahmen nicht mehr interessant. Manche Bürger sagen sich, wir wollen selbst Hühner, die im Garten leben und möglichst viele Eier legen. Wir bestehen aus 15 bis 20 Mitgliedern, darunter sind fünf bis sechs aktiv. Und seit zwei Jahren haben wir keine Bilanz mehr vorlegen können.“ Das Vereinslokal Blomberg sei bekanntlich geschlossen worden, nun fehle überdies auch noch die Ausstellungsfläche.
Hauptthema sei deshalb in nächster Zeit die etwaige Auflösung des Vereins und die Übernahme des Mitgliederbestands durch andere. „Oder ein Zusammenschluss“, sagt Lütkehellweg. Er wolle jedoch nicht vorgreifen, sondern erwarte zunächst eine klare Aussage des Kreisverbands: „Er muss sich in puncto der Existenzfrage äußern. Aber bisher haben wir noch nichts von ihm gehört.“